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"Let´s share the pleasure" - Femporn für alle?

Aktualisiert: 10. Jan. 2021


Veröffentlicht am 07.03.2017 in Avenue Jetzt Forschungsstand Pornographie auf: https://avenue.jetzt/pornographie/share-the-pleasure/


Glitzernde Sternchen, rosa Hintergrund, Disney Channel Musik und ein eindeutiges Geständnis in Babyblau: „I love eating pussy. And, apparently, I am good at it… Or so says my girlfriend.“ Kurz darauf ertönt Klatschen, noch mehr Blockfarben in Gelb, Rosa und Blau. Wir befinden uns scheinbar in einer Talkshow, Top Women in Business. Felicia (Anastasia Bengoechea), die Gründerin der Plattform Trymyboyfriend.com, erzählt ihre erfolgreiche Geschäftsidee: weltweit die sexuellen Ressourcen seines Partners mit anderen Frauen für Geld teilen – wie Airbnb, die sogenannte collaborative oder sharing economy, nur mit seinem Sexualpartner anstatt des Wohnraumes.

Ist das tatsächlich der Beginn eines echten Porno? Ganz ohne Stroh, Silikonbrüste und muskulöse Männer, deren Gesichter wir selten von vorne sehen? Die erste Szene, die wir im Kurzfilm Try my boyfriend der Filmreihe XConfessions von Erika Lust sehen, zeigt eine selbstbewusste rothaarige Geschäftsfrau, die uns Profit durch Teilen erklärt.

In Erika Lusts Filmen spielen unkonventionell-schöne, gepiercte und tätowierte Menschen die Hauptrollen. Sie spielen Figuren mit queerer Sexeinstellung, die sich für Kunst, Kultur und Literatur interessieren, sie sind kosmopolit und offen. Die Drehbücher dazu basieren auf anonymen Texten von Pornographie-Interessierten, die an Erika Lust geschickt werden – „by you and Erika Lust“, heißt der Slogan. Femporn? Das klingt nicht nach Mainstreamporn, der für viele Menschen keinen künstlerischen oder intellektuellen Mehrwert besitzt. In feministischen Kreisen gilt dieser außerdem als sexistisch, rassistisch, klischeebehaftet und hetero-normativ. Meist liegt der Fokus auf dem männlichen Orgasmus und der körperlichen Leistungsschau, die beide die Frau zum passiven Rammel-Objekt reduzieren. Deshalb hat es sich die feministische Pornographie zur Aufgabe gemacht, neue Darstellungsformen von Sexualität zu erkunden, und hierbei auf Filmkunst zu setzen. „Sex-positiv“ heisst das Schlagwort. Ein Hauptmerkmal der sex-positiven Bestimmung ist die sexuelle Freiheit und diese ist nicht weniger als ein Bestandteil der allgemeinen Freiheit des Individuums. Es gilt, all die Stereotypen hinter sich zu lassen, die sich auf Seiten wie youporn.com zuhauf finden und sich in immergleichen Geschicht(ch)en, Dialogen, Schauplätzen, Requisiten, Körpernormen und Sexualtechniken wiederholen. Zu überwinden sind genauso die desolaten Produktionsbedingungen wie die gesellschaftlichen Stigmata einer Arbeit in der Pornoindustrie. Das Label PorYes hat Laura Méritt, promovierte Kommunikationswissenschaftlerin, Lachforscherin, feministische Linguistin und Aktivistin ins Leben gerufen.Die Berliner sex-positive Initiative PorYes, hat ein feministisches Gütesiegel für pornographische Filme mit Kriterienkatalog erstellt. Vielfalt wird honoriert: der Personen, des Alters, des Geschlechts, der Körpertypen, der sexuellen Orientierung und des ethnischen Hintergrundes. Qualität wird ebenso geprüft: Einstellungen, Perspektiven, Licht und Musik. Ausschlaggebend ist letztlich eine respektvolle Darstellung weiblicher Lust und einvernehmlichen Sex‘. Lust, Erika Lust.

Viele dieser Kriterien finden sich bei der schwedischen Buchautorin und Filmemacherin Erika Lust umgesetzt. Sie interpretiert Erotik und explizite Sexszenen nicht nur aus feministischer Perspektive, sondern auch mit viel Stil, Humor und Intelligenz. Die Erzählstrategie in Try my boyfriend beginnt semidokumentarisch mit Felicias Erzählstimme aus dem Off. In Rückblenden wird von einem vergangenen Abend mit ihren Freundinnen erzählt. Die Frauenclique befindet sich Wein-trinkend in der Küche, das Szenenbild und die Kostüme der Frauen sind ein kunstvolles Farbenspiel und erinnern an Wes Andersons oder Pedro Almodóvars Filmästhetik.

Auch hier werden die einzelnen Charaktere durch den Kunstgriff der Farbe hervorgehoben. Felicia prahlt von den unglaublichen Cunnilingus–Fähigkeiten ihres Freundes Tim (Jay Smooth) und löst damit eine provozierende Reaktion bei ihrer Freundin Lina (Bembe) aus: „I want to try him. If he is so good, he should be shared for the joy of more women.“ Diese Idee löst bei Felicia eine Flut an Gedanken aus: Wer? Wo? Wie? Und für wie viel Geld? Dennoch zögert sie zunächst. Als eine ihrer Freundinnen ihr eine Wette anbietet („I bet you have a big mouth. In fact, you´ll never share him.“), lässt sich auf diese ein und erhält von Natalia (Ferrari) als Wettgewinn 200 Dollar für deren Spaß mit Tim.


Lustvolle Ironie Erika Lust spielt mit den Klischees, auch deshalb liegt Tim schlafend im Bett und wird von seiner Freundin mit der Aufforderung geweckt, die Freundin oral zu befriedigen. Nach anfänglichem Missmut findet er schnell Gefallen daran und überzeugt mit seinen Qualitäten. Und so nimmt auch der Film an Rhythmus, Dynamik, schnellen Schnitten und Pop-Art zu. Elektronische Tanzmusik wird eingespielt, Frauen hüpfen vergnügt in bunten Strümpfen umher und es wird von einer wachsenden Community gesprochen. Tim und Felicia sind glücklich, weil er seine überschüssige Sexenergie loswerden kann und sie, weil sie damit 1000 Dollar Gewinn pro Woche macht. Immer noch geht es mehr um Profit und eine erfolgreiche Geschäftsidee als um Sex. Es gibt viele schnelle Schnitte und Farben, dadurch wird auch nur kurz angedeutet, wie Tim die Frauen glücklich macht. Diese aber kreischen und stöhnen und werfen ihr Haar vor Lust in die Luft. Da Tim irgendwann müde von der Arbeit wird, erhält Felicia ihren Eureka-Moment: Sie kreiert eine Plattform, wo alle Frauen weltweit ihren Partner teilen können. Sowohl die Idee als auch die aufrufbare Dummy-Webseite erinnern an das mittlerweile umstrittene Airbnb Konzept (vgl. Berkes 2016). Auch deshalb bleiben Anspielungen auf den positiven Wertewandel und das geänderte Konsumverhalten, dass sharing economy „etwas soziales und bedeutsames“ sei und vor allem eine win-win Situation für alle darstelle, nicht aus.


Da es sich trotz allem um einen Porno handelt, darf das Explizite nicht fehlen. Nach vier Minuten Vorspann werden die vier Freundinnen von Tim oral bis zum Höhepunkt befriedigt. Dabei stehen ausschließlich die weibliche Befriedigung und der weibliche Körper im Vordergrund. Der Mann erhält wenig Aufmerksamkeit, er bleibt bekleidet und Dienstleister. Es gibt Großaufnahmen sowohl von den lustvollen Gesichtern als auch von den Genitalien der Frauen auf Tims Gesicht. Aber nur für kurze Augenblicke. Es wird mit den Erwartungen des Publikums gespielt, dass jetzt die Ausschnitte aus den Rückblenden in voller Länge konsumiert werden können. Die Aufnahmen erscheinen wie in einer Farbspiel-Collage. Es bleibt wenig Zeit, sich auf die Befriedigung einer einzelnen Frau zu konzentrieren. Die Szenen wechseln zwischen den vier Protagonistinnen und ihren zerrissenen und bunten Strumpfhosen, bis alle vier gleichzeitig den Höhepunkt erreichen. Der Film besticht mit seiner Mischung aus Humor und Sex und kreiert damit eine lustvolle Leichtigkeit und Ironie, die sowohl mit filmischen Zitaten als auch mit einer intellektuellen Metaebene beeindruckt. Beispielsweise wird die vierte Wand gelegentlich durchbrochen, die Frauen deuten Dialoge in die Kamera an und werden dabei von Felicias Stimme vertont. Tim zwinkert und grinst in die Kamera während er seine Leistung erbringt. Die Geschichte ist phantasievoll stilisiert, sodass es kaum möglich ist, die Komik nicht wahrzunehmen. Die Frauen inszenieren ihre Lust an der Ausbeutung ebenso wie Tim seine Fähigkeiten als Superheld des Cunnilingus. Obwohl hier thematisch gesehen, ein Mann für die Frau Sexarbeit leisten muss, handelt es sich nicht um feministischen Revanchismus oder um einen Widerspruch mit den PorYes-Prinzipien. Vielmehr verdeutlicht die allgemeine Überspitzung und Ironie in der Darstellung eine kritische Distanz zu den gezeigten Verhältnissen – sowohl der Geschlechterverhältnisse als auch der neoliberalen Ausbeutungsverhältnisse. Letzte Szene: Tim und Miyuki liegen erschöpft im Bett, Felicia sitzt auf dem Stuhl daneben. Sie klatscht und lacht. Die Kamera zoomt aus dem Bild und das Filmset mit Leinwand ist zu sehen. Vergnügte Stimmen aus dem Off. Klatschen.




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